Für einen neuen Gesellschaftsentwurf Europas

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Was in Europa und den USA einen neuen kollektiven Lernprozess einleiten könnte, ist die massenhafte Erfahrung, dass es die Realpolitiker in allen Machtzentren der Gesellschaft gewesen sind, die eine hochentwickelte Gesellschaftsordnung an den Rand der Katastrophe getrieben haben – nicht die Utopisten (...)“, schreibt Oskar Negt über die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise.

Die Abwesenheit begeisternder Entwürfe ist gerade in unseren Auseinandersetzungen mit der Europäischen Gemeinschaft schmerzlich spürbar. Die mediale Wahrnehmung dieses einzigartigen Projekts erschöpft sich derzeit in Begriffen wie Rettungsschirm, Länder-Ratings und Sparprogrammen. Merkwürdigerweise begleiten diese pragmatischen Problemlösungen in der öffentlichen Diskussion kaum kraftvolle Zukunftsbilder. Typische – weil aufklärerische – „Eurovisionen“, wie zum Beispiel der Genuss kultureller Vielfalt, die ständige Weiterentwicklung von Demokratie als freie Beteiligung an der Verbesserung des eigenen Gemeinwesens oder soziale Solidarität und Beschütztheit, kommen in unseren Debatten zur Entwicklung der EU nicht vor.

Oskar Negt liefert ein hellsichtiges Plädoyer für ein Comeback der Utopie. Ein Aufruf zum Rückzug vom Rückzug in die vermeintlich unpolitische Idylle des Privaten hin zu neuen Formen lebendiger, engagierter Demokratie.

 

Oskar Negt gilt als einer der bedeutendsten Sozial- wissenschaftler Deutschlands. Der bald achtzigjährige Philosoph und Soziologe promovierte 1962 bei Theodor W. Adorno und arbeitete anschließend als Assistent von Jürgen Habermas. 1970 wurde er auf den Lehrstuhl für Soziologie der Universität Hannover berufen. Seine zentralen Forschungsthemen sind Arbeit und menschliche Würde sowie Globalisierung und Gerechtigkeitskompetenz. Der für seine klare Sprache bekannte Wissenschaftler gilt als einer der wichtigsten Vordenker der Kritischen Theorie. Ihr Ziel ist, Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen aufzudecken und mögliche Alternativen zu benennen.